MenschLuther
von Hermann Max

Wenige Worte genügen, um die vor 2500 Jahren von Konfuzius und den griechischen Philosophen um Platon als grundlegend formulierte Menschlichkeit zusammenzufassen: Sie fordern ein sozialverträgliches gutes Leben, das durch Toleranz, moralisches Verhalten und Verständnis für Andere zu Gemeinwohl führt. Ohne Götter. Luther kommt mit dem christlichen Gott und auf Grundlage der Bibel zu gleichartigem Denken über menschliches Miteinander. Das verleiht seiner Reformation in ganz Europa wachsende Glaubwürdigkeit und fortschreitenden Erfolg. Ob mit oder ohne Gott: Alle diese Plädoyers sind zeitlos. Ob heute oder in archaischer Zeit erstellt.

Der Glaube an göttliche Lenkung verstellt in der Geschichte oft den Blick auf das Leid unendlich vieler Einzelner. Bedeutend sind Menschen, die der Wirklichkeit ins Auge schauen und das Heer der Bedauernswerten dieser Welt sehen. Und helfen. Wie Luther. Zahllos sind seine Initiativen. Er ist den Menschen seiner Zeit mit ihren Schicksalen nahe, will ihre Lebenschancen verbessern, fordert Bildung für junge Menschen beiderlei Geschlechts und will mit seiner Bibelübersetzung allen Menschen eine umfassende Lehre für ein gerechtes Leben in die Hand legen. Er schaut dem Volk aufs Maul und ahnt vielleicht, dass er der deutschen Sprache damit einen fruchtbaren Acker für eine großartige Entwicklung bereitet. Erreicht er das für weitere fast 3000 Sprachen, in denen Bibelübersetzungen bald lesbar sind? Jedenfalls verlässt Luthers Bibel bald den europäischen Kontinent und wird Weltkulturerbe.

Griechenland und fernöstliche Philosophie brachten Aufklärung und Demokratie, machten das unauslöschliche Verlangen nach Freiheit bewusst. Luther legt für diese Ideale den Menschen sprachlich kraftvolles Handwerkszeug in den Mund und trägt zur Schaffung unvergänglicher Kunstwerke bei. Als Realist sieht Professor Martinus kirchliche Missstände. Sieht kirchliche Würdenträger, die wie weltliche Fürsten Reichtümer anhäufen und dabei Armut wie mangelnde Bildung großer Bevölkerungsschichten für den Statuserhalt nutzen. Dagegen findet er im 1. Petrus-Brief ein Argument, das ihn prägt: Das Priestertum aller Gläubigen – ohne Mittler zwischen Gott und Mensch.

Schließlich werden vor ihm lebende todesmutige Kritiker seine Vorbilder. Girolamo Savonarola (1452-1498) kritisiert den anstößigen Lebensstil weltlicher wie kirchlicher Würdenträger. Der Schotte John Wyclif (1330-1384) erkennt als einzige religiöse Autorität die Bibel und nicht das Papsttum an. Als Nachfolger des unrechtmäßig verurteilten Jan Hus (1369-1415) fühlt sich Luther, als er erfährt, dass nach dessen Überzeugung Laien oft besser als Geistliche seien und Christus anstelle des Papstes das Haupt der Kirche sei. Anders als viele seiner Vorgänger überlebt Luther seine riskanten Strategien und kann mit seiner Frau Käthe – trotz Rückschlägen – ein gutes Leben führen.

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